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Heimweh
Christiane Opitz, 2022

Die Landschaften, die uns GOSIA MACHON präsentiert, könnten sowohl aus vormenschlicher, prähistorischer Zeit stammen, als auch aus einer posthumanen Zukunft. Menschen gibt es hier „noch nicht“ oder „nicht mehr“. Stattdessen bevölkern Vögel und Pferde, die wilde, unkultivierte Natur, gemeinsam mit seltsamen geformten Sträuchern und Blumen. Die Bildsprache wirkt naiv, die Bildwelten tief und mysteriös. An Höhlenmalerei erinnert auch die Farbgebung, aus erdigen Braun- und Gelbtönen. Machon hat Tusche, ähnlich wie in der Aquarellmalerei, verdünnt auf feuchtes Papier aufgetragen, was eine weiche, neblige Bildästhetik hervorruft — atmosphärisch überträgt sich der Eindruck eines tropisch warmen Klimas. In diesem Bilderzyklus verhandelt die Künstlerin das Thema Wildnis, jedoch ohne sie als das Andere oder das Fremde herauszustellen. Auch wir Menschen tragen trotz Zivilisation und Kultivierung natürliche Triebe und Instinkte als genetisches Erbe in uns. Wie sehr unterscheiden wir uns also von Tieren? Kann eine Pflanze Sehnsucht empfinden? Machon nähert sich diesen Fragen an, indem sie sich auf künstlerischer Ebene in Bereiche des Rätselhaften, Ungewissen und Ambivalenten vorwagt. Auch das Nicht-Wissen wird als Teil unserer Realität mitgedacht. Alles steht in einem Zusammenhang und ist miteinander verbunden oder wie der Philosoph Emmanuele Coccia schreibt: „In unserem Atem setzt sich der Atem eines anderen fort“. Die Blume am rechten Rand der Installation wirkt wie ein Individuum, das den/die Betrachter*in anzusehen scheint. Es geht Machon darum, eine tiefe Verbundenheit spürbar zu machen.

 

Veröffentlicht im Rahmen der Ausstellung Nominess im Kunsthaus Hamburg

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