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Vom Werden und Vergehen
Brigitte Bedei, 2015

Die Bilder der in Hamburg lebenden Künstlerin Gosia Machon existieren weit entfernt von Urbanität und Jetzt-Zeit, es sind zeitlose Bilder, märchenhaft-mythische Parallelwelten, in denen die Grenze zwischen innerer und äußerer Landschaft aufgehoben wird. Die Natur spielt in dem Bildkosmos der Künstlerin eine übergeordnete Rolle. Sie steht nicht nur für eine romantische Sehnsucht, sondern symbolisiert auch den Zustand der Wildnis in Abgrenzung zur Kultur. Machon beschäftigt sich in ihren Arbeiten grundsätzlich mit den wesentlichen Themen des Menschseins, losgelöst von kulturellen Zusammenhängen.

In ihrer sechsteiligen Aquatinta-Serie „Die große Pfütze“, die für die Griffelkunst entstanden ist, beschreibt sie lose einen Zyklus des Lebens zwischen Zeugung, Verwandlung, Leben und Tod. Als Quelle dienen ihr hier Texte und Zeichnungen aus dem Kontext der Alchemie, die zunächst in einer Serie von Zeichnungen münden. Hieraus entwickelt sie schließlich ihre Radierfolge, in der die Pfütze zum zentralen Motiv wird. Sie steht für die unergründliche Tiefe eines Sees, für eine dreckige Wasserlache in der Landschaft, für den flüssigen Nährboden biologischer und innerpsychischer Prozesse.

Schattenfiguren ohne Gesichtszüge in scherenschnitthafter Reduktion ruhen vor einem malerisch angelegten Bildgrund, tummeln sich in Pfützen, verschwimmen mit ihrer Umgebung. Eine animalische Gestalt schreitet durchs Bild und verschmilzt mit seinem Reiter zu einem schemenhaften Wesen aus der Welt des Unbewussten. Pfützen, Konglomerate, rätselhafte Figuren – Gosia Machon erforscht in ihren Bildern universale Zusammenhänge. Ihre Bildsprache bleibt dabei bruchstückhaft und abstrakt, genau wie unsere eigene Wahrnehmung und Erkenntnis.

In der von Machon angewandten Technik der Pinselätzung findet die inhaltlich geschlossene Werkreihe eine formale Analogie. Mit einer angedickten Säure wird direkt auf der Platte gemalt, eine wässrige Aquarell-Ästhetik wird so ins Metall übertragen. Das Ergebnis wirkt lebendig und malerisch und kommt der experimentellen Arbeitsweise der Künstlerin in der Malerei nahe, in der sie flüssige Farbe auf das Papier gießt, ohne den Trocknungsprozess steuern zu können. Ebenso entstehen in der sogenannten Spit- Bite-Radierung Strukturen in den Flächen, die nicht vorhersehbar sind und vom Zufall gesteuert werden. Einen formalen Zusammenhang erhält die Serie darüber hinaus durch die durchgehende Farbwahl schwarz, korallrot und phthalogrün.

So hat Gosia Machon eine formal und inhaltlich geschlossene Werkreihe entwickelt, mit der sie die Kraft des Ursprünglichen, der Natur, der Energie und der Transformation beschwört.

Erschienen im Rahmen der Edition für die Griffelkunst Hamburg, C-Reihe, 359. Wahl III. Quartal 2015

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